Der Fall der Steinernen Wacht
Eine gar schauerliche Tragödie in drei Akten nach der wahren Begebenheit des Masakers an der Steiernen Wacht, dargestellt von den 4 berühmten Schaustellern der Compania Fantastika (Maran Girag, Knerp Redil, Maqsi Redil und Cindra)
verfasst von Maran Girag
Personen:
Hinweis: Das vorliegende Werk, das in seiner jetzigen Fassung vor allem in Dakor zur Aufführung kommt, kann durch die möglicherweise etwas einseitige Darstellung der Geschehnisse auf Leser der Wo-Kai-Kultur beleidigend wirken und weist historische Ungenauigkeiten auf.
1. Akt - Auf Wacht
[Die Bühne: eine hüfthohe Mauer nimmt den rechten Teil ein und endet nach rechts in einem Turm]
Der Sprecher:
Volk von Dakor, ihr Hohen und Geringen
Hört die Geschicht von grausamen Dingen
Die sich zutrug so spät in der Nacht
Hoch droben, in der Steinernen Wacht
Es ist eine Geschichte voll Blut und Mord
Die spielt an einem gar düsteren Ort
Der lange uns bot Heim und Schutz
Und nun erstarrt ist vor Eiter und Schmutz
Eine Geschichte mit edlen Maiden (kurzer Auftritt Cindra in einem schönen, tief ausgeschnittenen Kleid)
(An denen das Aug sich kann weiden)
Mit Helden, Schurken und ruchlosen Frauen (kurzer Auftritt Maqsi im Gewand einer Dirne)
Die auch sind nett anzuschauen
Nun seht wie der Vorhang sich hebt
Und lauscht was ich habe erlebt
Im Sommer im letzten Jahr
Seitdem nichts mehr ist wie es war
Auftritt Hauptmann Kuhrn (hinter der Mauer): Mein Lord Kairon, wo seid ihr?
Auftritt Lord Kairon (ebenfalls dahinter): Hier bin ich mein treuer Hauptmann Kuhrn, was bringt ihr für Kunde?
Hauptmann Kuhrn: Die Barbaren der Steppe, die blutlüsternen Wo-Kai, sie haben Luanag erstürmt und alles Volk mit Mann und Maus erschlagen. Die Kinder haben sie von den Mauern geworfen und die Frauen geschändet. Bald werden sie auch vor unseren Toren stehen!
Lord Kairon: Sei ohne Sorge, getreuer Recke. Diese Mauern (er deutet auf das Türmchen zur Rechten) bringen sie zur Strecke! Nie wurde die Steinerne Wacht bezwungen und wenn sich ihre hässlichen Schädel hier zeigen, wollen wir sie ihnen geschwind abschlagen! (beide lachen, werden jedoch wieder ernst)
Trotzdem - ich kenne ihre finsteren Ränke. Sie morden im Verborgenen, der auftrechte Kampf ist ihre Sache nicht, daher sage allen, dass sie in die Burg kommen sollen.
Hauptmann Kuhrn: Sehr wohl mein Lord (verlässt stolz die Bühne)
Auftritt Lady Mirda (tänzelt vor der Mauer über die Bühne): Oh Vater, wie schön ist der Sommer hier in Berge!
Lord Kairon: Lieber wäre mir, Du wärst in unserer Festung im Norden. Nun komm herein - dieser Ort wird bald kein Ort mehr für die schönste meiner Töchter sein.
Lady Mirda: Noch zwei Wochen, dann kommt mein Liebster mich holen, dem ich versprochen wurde, ach Vater - ich kann es kaum erwarten! (sie lacht, kommt aber hinter die Mauer)
Lord Kairon: Wohl denn - so bereite Dich auf Deine Vermählung vor, ich jedoch muss nun nach meinen Männern sehen (er küsst sie auf die Stirn und verlässt die Bühne)
Cerlin (betritt die Bühne und mustert finster Lady Mirda, die arglos vor sich hinsummt und sie noch nicht gesehen hat): Seid gegrüßt, Mylady!
Lady Mirda: Oh Cerlin, sieh nur wie schön es ist! (sie deutet in die Menge, während Cerlin hinter sie tritt und ruchlos ihre Hand über Mirdas Hüfte gleiten lässt)
Cerlin: Für Euch mag es schön sein, doch für mich, die ich nur der Bastard Eures Vaters bin, ist jeder Tag hier wie der andere. Bald werdet Ihr dies wieder verlassen, doch ich bin auf Gedeih und Verderb verflucht in dieser finsteren Burg zu bleiben!
Lady Mirda: Das darfst Du nicht sagen, Cerlin. Du weißt, dass mein Vater auch Dich sehr liebt und wenn die Zeit reif ist, wird er auch Dich vermählen mit einem edlen Recken, der Dich von hier fortträgt. (küsst Cerlin auf die Wangen und verlässt die Bühne)
Cerlin (sieht ihr mit finsterer Miene nach und wendet sich dann zum Publikum): Da geht sie hin, das arglose Kind. Bald wird sie vermählt sein und mein Los kümmert sie nicht. Doch auch mich soll das Los von allen, die hier wohnen nicht länger kümmern. Denn bald, so bald schon wird meine Rache sie treffen! (verlässt die Bühne)
2. Akt - Gefahr zieht auf
[Die selbe Bühne, falls möglich dezent verdunkelt]
Paktartul betritt gefolgt von Torkultar die Bühne (vor der Mauer): Sieh nur Torkultar - dort drinnen sitzen sie auf ihren zusammengerafften Schätzen, ihrem Gold! Kannst Du es riechen? (zieht tief die Luft ein) Doch bald schon wird alles Unser sein! (lacht grausam)
Torkultar: Doch wie, ruchloser Paktartul, wird es uns gelingen ihre Festung zu bezwingen? Ihre Mauern sind so hoch und die Schwerter ihrer falkenäugigen Verteidiger sind scharf und lassen die Herzen unserer Männer erbeben!
Paktartul (reibt sich nachdenklich das Kinn und packt seinen Begleiter am Arm): Sei kein Narr, Torkultar! Meinst Du, ich will mich mit ihren Schwertern messen und mein Leben riskieren? Nein, es muss noch einen anderen Weg geben. Sieh! (er deutet auf Cerlin, die von der anderen Seite die Bühne betritt, ebenfalls vor der Mauer; die beiden Männer ducken sich)
Cerlin (sieht sich argwöhnisch um): Ist da jemand? Nein?! Mir war als hätte ich ein Geräusch gehört, doch mein Ohr muss mich getrogen haben. Oh wie ist mir die Steinerne Wacht zuwider. In ihren Mauern sitze ich wie in einem Gefängnis. Auch wenn es mein Lord Vater verboten hat, doch ich muss hinaus, wo der nächtliche Wind meine Glieder streichelt! (räkelt sich und bringt ihren Körper zur Geltung)
Torkultar schleicht sich hinter sie, packt sie und hält ihr den Dolch an die Kehle: Schweig still, Ruchlose! Gibst Du auch nur einen Mucks von Dir, so ist es um Dich gewesen!
Paktartul kommt nach vorne und lässt seine Blicke lüstern über sie gleiten: Wenn haben wir da, sag Deinen Namen Weib!
Cerlin (angstschlotternd, aber auch etwas lasziv): Man nennt mich Cerlin, die Frucht der Lenden des Lords mit einer der Euren. Verschont mein Leben und ihr mögt euch an mir erfreuen.
Torkultar und Paktartul lachen
Paktartul: Du erfreust nur nur unser Auge fürwahr! Doch begehren wir mehr als Deinen Leib. Sag, wie gelangen wir in die Burg?
Cerlin (schon deutlich ruhiger): Die Tore sind bewacht von schwer bewaffneten Recken, die euch das fürchten lehren werden. (Torkultar und Paktartul sehen sich beunruhigt an) Doch kenne ich eine andere Möglichkeit ...
Paktartul (gierig): Sprich, Ruchlose - welche Möglichkeit ist das?
Cerlin (leise): Ha, die Stunde der Rache ist nah! (lauter) So höre mein grausamer Wo-Kai ... (beugt sich zu ihm und flüstert Paktartul etwas ins Ohr, während Torkultar den Dolch wegsteckt und die Hände über sie gleiten lässt)
Paktartul (frohlockend): Ja, ruchloses Weib - das ist ein Plan nach meinem Geschmack! Finster, gemein und ohne Gefahr für uns. So muss es gelingen! Doch nun komm - lass uns unseren Pakt besiegeln!
Alle drei verlassen die Bühne und man hört von hinter der Bühne brünftiges Stöhnen. Schließlich kehrt Stille ein und die Bühne wird wieder hell.
Lady Mirda setzt sich hinter die Mauer, singt leise vor sich hin und stickt
Lady Mirda: Was für ein schöner Morgen! Ach wie gerne würde ich über die Wiese vor der Burg streifen. Doch mein Lord Vater hat's verboten und seine Gebote sind stets voller Weisheit, daher will ich hier verweilen.
Cerlin betritt von links kommend, vor der Mauer die Bühne und knöpft sich dabei das Mieder zu: Mylady Mirda!
Lady Mirda (sieht erschrocken auf und legt ihre Stickerei bei Seite): Cerlin, Du leichtfertiges Ding - mein Vater hat es verboten, die Burg zu verlassen!
Cerlin: Seid ohne Sorge - die Wo-Kai sind wieder abgezogen und so hat er seinen Befehl aufgehoben. Kommt herunter, auf das wir über die sommerliche Wiese tanzen können!
Lady Mirda: Er hat seinen Befehl wiederrufen? Doch warum hat er nicht einen Diener zu mir geschickt, um mir das zu sagen.
Cerlin: Mich hat er geschickt - so kommt doch! Seht ihr nicht, wie schön es hier ist!
Lady Mirda rafft freudig den Rock und schwingt sich mit Hilfe von Cerlin über die Mauer. Auf der anderen Seite beginnt sie über die Bühne zu tanzen. Torkultar und Paktartul betreten die Bühne und Lady Mirda tanzt in Gedanken versunken bis vor sie hin. Sie erstarrt vor Schreck.
Paktartul: Jetzt haben wir Dich, süßes Kind! Torkultar - pack sie!
Torkultar tut wie geheißen
Torkultar: Ja, wehr Dich nur nach Kräften, schönes Kind. Bald wirst Du trotzdem unser sein.
Paktartul: Geduld, halte Deine Klinge im Zaum. Erst muss das finstere Werk vollbracht werden.
Mit vereinten Kräften tragen sie die zappelnde Lady Mira von der Bühne.
Cerlin (zum Publikum): Nun ist die Zeit meiner Rache gekommen. Und was mit ihr geschieht, die mir wie eine Schwester war ... nun was kümmert's mich. Denn meine Zeit kommt nun, ihr werdet schon sehen ...
3. Akt - Das grausame Morden
[Die selbe Bühne, Hauptmann Kuhrn hinter den Zinnen hält Ausschau nach allen Seiten]
Lord Kairon betritt hinter der Mauer die Bühne: Hast Du sie gefunden, mein Hauptmann?
Hauptmann Kuhrn: Nein, Mylord - Eure Tochter ist wie vom Erdboden verschwunden und auch Cerlin, Eure Bastardtochter ist nicht aufzufinden!
Lord Kairon: Such die gesamte Burg ab. Von den tiefsten Verließen bis hin zu den höchsten Türmen.
Hauptmann Kuhrn: Sehr wohl Mylord, ich will nicht rasten, bis ich sie gefunden habe! (verschwindet hinter den Zinnen)
Lord Kairon tritt auf und ab und schüttelt sorgenvoll das Haupt.
Lord Kairon: Hinter all dem steckt eine Teufelei, das spür ich genau. Eine Untat dieser barbarischen Teufel! Oh mein Kind, wo magst Du nur sein. Würde Dir ein Leid geschehen, das Herz würde mir zerspringen!
Paktartul betritt die Bühne. Er hält Lady Mirda am Arm und hält einen Dolch an ihren Hals. Hinter ihm kommt Cerlin auf die Bühne, hält sich aber im Hintergrund.
Paktartul: Lord Kairon, mir scheint ich habe Euer Liebstes erbeutet!
Lord Kairon: Paktartul, Du schurkischer Barbar - hat Dich Dein finsterer Herr Shakatul das geheißen? Lass mein Kind gehen und stell Dich zum Kampf! (reißt sein Schwert heraus und schüttelt es wild)
Paktartul (lacht): Zum Kampf? Mir scheint der Kampf ist verloren Herr Lord! Rasch, werft Eure Waffen weg und ich will Gnade mit Euch walten lassen und Euch freien Abzug gewähren. Anschließend hole ich mir bei meinem schwarzen Lord Shakatul den Dank und den tausendfachen Lohn für meine Taten.
Lady Mirda (verzweifelt): Glaubt ihm nicht, mein Vater. Diese Kreatur ist ohne Ehr und wird uns nicht verschonen. Lasst mich von seiner schurkischen Hand sterben und rächt meinen Tod, doch vertraut nicht seinen Worten.
Lord Kairon: Mein todesmutiges Kind, sei ohne Sorge. Auch in diesen Mordgesellen muss doch ein Funke voll Ehre sein. Paktartul, hört - ich nehme Euer Angebot an und vertraue Euch uns an! Meine Männer, lasst Eure Waffen sinken und öffnet die Tore! (wirft sein Schwert über die Mauer)
Paktartul (lacht): Die Wacht ist unser! Nun zittere Dakor! Und ihr meine Krieger - tötet alle, die ihr findet. Doch was Euch betrifft, Lord Kairon - meine Gnade mögt ihr wohl haben, doch die ihre nicht! (deutet auf Cerlin)
Cerlin zieht einen Dolch und schreitet mit finsterem Blick hinter die Mauer vor Lord Kairon
Lord Kairon: Cerlin, meine Kind, was soll der Dolch, sprich!
Cerlin: Ein Kind nennst mich, doch bin ich ein Weib! Deine Güte war Allmosen und Deine Geschenke Tand im Vergleich zu dem, was sie bekommen hat! (deutet auf Lady Mirda)
Lord Kairon: Schamlose, kennst Du Deinen Platz nicht und habe ich Dich Bastard nicht stets mit mehr Achtung als Dir gebührt behandelt?!
Cerlin (wütend): Einen Bastard nennst Du mich? Wohlan, mögen dies Deine letzten Worte sein! (stößt ihm den Dolch zornig in den Leib und springt dann erschrocken über ihre Untat zurück)
Lord Kairon (taumelt hinter der Mauer hin und her): Weh mir, das Leben entfleucht. Verraten wurde ich, drum Dakor - hör meine Warnung! Vertraut ihnen nie, diesen Teufeln der Wo-Kai, denn ihre Stimmen sind Lüge und ihre Worte Verrat. (sinkt hinter die Mauer und stirbt)
Lady Mirda reißt sich los und stürzt hinter die Mauer: Vater, nein! Ihr Götter - er ist tot!
Paktartul (lacht): Und so wird es auch Dir ergehen wenn Du nicht spurst, drum her mit Dir und ab in mein Lager!
Cerlin (zornig): Der Platz auf Deinem Lager ist mir versprochen! Bin ich nicht viel schöner als sie?
Paktartul (lacht wieder): Dir versprochen? Fürwahr, Du kennst Deinen Platz nicht! Torkultar!
Torkultar stürzt auf die Bühne: Ja mein Anführer?
Paktartul (deutet auf Cerlin): Sie sei Dein und wenn Du ihrer überdrüssig bist, gib sie den Männern!
Torkultar grinst, packt Cerlin am Arm und schleppt die um Gnade Winselnde von der Bühne.
Paktartul (wieder zu Lady Mirda): Und nun sei mein, mein süßes Kind!
Lady Mirda (hochaufgerichtet): Du ehrloser Wurm - mein Leben magst Du mir wohl nehmen, doch meine Ehre nicht. Mein Fluch soll Dich treffen, so lange Du lebst und Dakor soll nie Deine Beute sein, so wie auch ich nicht Deine Beute sein werde! (springt vom Turm aus in den Tod)
Paktartul sieht furchtsam die "Klippe" hinunter auf den Leichnam Lady Mirdas und schüttelt scheu den Kopf.
Paktartul: Dies Volk, es lässt meine Knochen erzittern. Sie fürchten den Verlust ihrer Ehre mehr als den Tod. Wie nur soll's uns gelingen sie jemals zu unterjochen? Wär's vielleicht klüger gewesen sie gehen zu lassen und in Sicherheit zu wiegen, ehe das ganze Land unser ist? Doch darum muss Shakatul sich kümmern. Jetzt aber will ich mir den Lohn meiner Schandtat holen. (geht ab)
Der Sprecher:
So legt sich über die Toten die Nacht
Deren Mantel über sie wacht
Und falls unser Stücklein gefällt
Gebt uns Geld